Sind wir bereit für eine digitale Zukunft?

Können Sie sich ein Leben ohne Alexa auch nicht mehr vorstellen? Oder macht Ihnen der Gedanke, dass Sie permanent beobachtet und belauscht werden, Angst? Und wie steht es mit Online-Banking, einem Chatbot oder einer Blockchain?

Auch wenn wir es nicht wahrhaben wollen: Unser Alltag ist bereits in vielen Bereichen digital. Und die meisten von uns haben sich rasch und ohne große Gegenwehr an die zahlreichen Vorteile gewöhnt. Ganz anders im Berufsleben. Hier herrscht noch immer große Skepsis, wenn es um Digitalisierung geht.

Als Bertha Benz im Sommer 1885 erstmals mit einem Automobil die Landstraße unsicher machte, schrieb sie Geschichte. Dass sie einer neuen technischen Entwicklung so blind vertraute, spricht für ihren Mut und ihren Pioniergeist. Ohne die selbstbewusste Frau hinter Carl Benz würden wir vielleicht heute noch mit der Pferdekutsche unterwegs sein und hätten die Annehmlichkeiten der modernen Mobilität niemals kennen- und schätzen gelernt.

Corona und die Ausgangsbeschränkungen der vergangenen Monate haben den Digitalisierungstrend im Alltag massiv beschleunigt. Plötzlich haben wir alle online geshoppt, unsere Bankgeschäfte übers Handy abgewickelt und in Bitcoin investiert. Apps bieten uns heute jede Menge Serviceleistungen, die wir jederzeit in Anspruch nehmen können – ganz egal, wo und wann.

Auch andere technische Innovationen haben wir rasch in unseren Alltag integriert – allen voran das Smartphone. Cloudlösungen für unsere Familienfotos oder der Sprachdienst Alexa gehören ebenfalls dazu. Kaum jemand macht sich dabei Gedanken, welche Auswirkungen dies auf die Mitarbeiter von Server-Produzenten oder Hersteller klassischer Telefone hat.

Ganz anders erleben wir den Digitalisierungstrend in unserem beruflichen Umfeld. 

Der mögliche Verlust des eigenen Arbeitsplatzes, höhere Anforderungen, sich verändernde Arbeitsbedingungen und unstete Erwerbsverläufe machen uns Angst und hindern uns daran, die möglichen Vorteile zu sehen:

Neue Qualität und Kompetenzen

Insgesamt wird die Digitalisierung weniger die Quantität als die Qualität und den Charakter unserer Erwerbsarbeit verändern, und zwar in allen Branchen, Berufen und auf allen Anforderungsniveaus. Dieser Strukturwandel betrifft in erster Linie die berufliche Bildung. Wo moderne Informations- und Kommunikationstechnologien, Vernetzung und das Zusammenbringen menschlicher und technischer Fähigkeiten neue Geschäftsmodelle und Produkte ermöglichen, entstehen neue Berufs- und Tätigkeitsfelder.

Kompetenzentwicklung und Qualifizierung werden sowohl für Unternehmen als auch Arbeitnehmende zum Erfolgskriterium. Für die einen geht es um Wettbewerbs-, für die anderen um Beschäftigungsfähigkeit. Gefragt sind fortlaufende, interdisziplinäre Qualifizierung und lebenslanges Lernen. 

Weniger Routine, höhere Anforderungen

Was wir heute schon sehen, ist, dass Routinetätigkeiten und körperlich schwere Arbeiten zunehmend durch Maschinen ersetzt werden. Betroffen ist hier insbesondere das produzierende Gewerbe: Während der Wertschöpfungsanteil der Industrie also auf einem hohen Niveau bleiben sollte, sinkt ihr Beschäftigungsanteil.

Gleichzeitig steigt die Nachfrage nach komplexen oder sozialen Tätigkeiten und neue, hochqualifizierte Berufsbilder, etwa in den Bereichen Digital Engineering, Digital Management, Data Science, E-Commerce und Online-Marketing, versprechen attraktive Karrierechancen. Die Informationalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft eröffnet neue Möglichkeiten und schafft damit neue Arbeitsplätze in mediennahen sowie in geistes- und sozialwissenschaftlichen Berufsfeldern.

Der demografische Wandel, Migration und die Dynamisierung beruflicher Kompetenz­entwicklung stärken außerdem Gesundheits-, Sozial- und Lehrberufe, weil mit ihnen der Bedarf an Qualifizierung, Integration, Inklusion und Betreuung wächst.

Geänderte Arbeitsbedingungen

Die Neuausrichtung der Arbeitsbedingungen im direkten Arbeitsumfeld ist für die meisten Beschäftigten das sicht- und spürbarste Element des digitalen Wandels. Unsicherheit besteht dabei vor allem im Hinblick auf materielle Arbeitsbedingungen wie Einkommensentwicklung, Gestaltung von Entgeltsystemen und Beschäftigungssicherheit. Die Digitalisierung verspricht durch Effizienz- und Produktivitätssteigerung auch ein Wachstum von Wertschöpfung und Löhnen. Allerdings werden Hochqualifizierte bessere Einkommensaussichten haben als Geringqualifizierte, insbesondere in den MINT-Berufen. 

Bessere Work-Life-Balance

Mit den Möglichkeiten digitaler Technologien kann Arbeit zugleich effizienz- und bedürfnisorientiert gestaltet werden. Somit könnte ausgerechnet die Digitalisierung den Menschen wieder in den Mittelpunkt rücken und bewirken, dass auch Unternehmenskulturen sich entsprechend wandeln: weg von starren Organisationsstrukturen, Hierarchien und einer Präsenzkultur, hin zu individuellen Lösungen, Teamarbeit und einer offenen Anerkennungs- und Ergebniskultur. Mit dem vernetzten Computer als wichtigstem Arbeitsmittel lässt sich Arbeit zeitlich, örtlich und inhaltlich variabel gestalten und individuellen oder unternehmerischen Bedürfnissen anpassen. 

Fazit

Insgesamt wirkt sich der digitale Wandel unterschiedlich und höchst ambivalent aus. Während wir die Vorteile im privaten Alltag genießen, ängstigen uns die Auswirkungen auf unser berufliches Umfeld. Zwar eröffnet die zunehmende Digitalisierung die Chance, Beschäftigte zu entlasten und Arbeit gesundheits- und lernförderlich zu gestalten. So können die Flexibilisierung und Mobilisierung von Arbeit für eine gute Arbeitsgestaltung, mehr Arbeitszufriedenheit und eine bessere Work-Life-Balance sorgen. Technische Assistenzsysteme und Roboter können Fachkräftelücken schließen, körperlich schwere Arbeiten erleichtern und älteren oder physisch eingeschränkten Beschäftigten länger die Teilhabe am Arbeitsleben ermöglichen.

Dem gegenüber steht aber die Gefahr, dass Persönlichkeit, Menschlichkeit und das menschliche Miteinander abhanden­kommen. Wie wichtig das persönliche Miteinander ist, wurde uns während der Corona-Krise schmerzlich bewusst. Zudem stehen dem Vorteil, Wirtschaft und Arbeit durch Virtualisierung von Produkten und Dienstleistungen ökonomisch, ökologisch und sozial nachhaltig zu gestalten, die Risiken für Datensicherheit und Datenschutz gegenüber.