Mann mit Krawatte rekrutiert Mann mit Krawatte

Vorstandsetagen und Aufsichtsratsgremien sind in Österreich immer noch eine Männerdomäne – vor allem in traditionellen Branchen wie der Finanzindustrie oder im Technologiebereich. Und wenn Frauen das Glück haben, den Männerreigen zu durchbrechen, dann sollten sie nach Möglichkeit leicht „handlebar“ sein. Ehemalige Spitzenpolitiker sind das beste Beispiel für diese immer noch gängige Denkart. Die Folge davon: Die geschlechtsspezifische Lohnlücke zwischen Frauen und Männern ist im internationalen Vergleich sehr hoch. Aber könnte ein Mindestbeteiligungsgesetz wie in Deutschland das Problem lösen?

Während Frauen in der Corona-Krise in systemrelevanten Berufen in der ersten Reihe stehen, sind sie in der Unternehmensführung nach wie vor unterrepräsentiert. Obwohl in Österreichs Aufsichtsräten seit 2018 eine Geschlechterquote von 30 Prozent gilt, hält sich das Patriarchat im Top-Management hartnäckig: Nur 14 der derzeit 192 Vorstandsmitglieder der ATX-Unternehmen sind weiblich, wie das Beratungsunternehmen Ernst & Young vor Kurzem erhoben hat. Damit bildet Österreich im europäischen Vergleich (EU-Schnitt: 19 Prozent) gemeinsam mit Luxemburg (4 Prozent) das Schlusslicht.

Auch die Zahlen aus dem öffentlichen Bereich sprechen eine klare Sprache: In Österreichs Bundesregierung sind derzeit 47 Prozent Frauen vertreten, im Nationalrat rund 40 Prozent. Auf der Ebene der Länder liegt der Frauenanteil der gewählten Landtagsabgeordnet:innen österreichweit bei 36 Prozent. Auf Gemeindeebene sind Frauen noch deutlicher in der Minderheit: Von den 2.095 Gemeinden Österreichs haben auch im Jahr 2021 erst 198 eine Bürgermeisterin. Das entspricht einem Anteil von 9,5 Prozent.

Frauen sind vor dem Gesetz gleichberechtigt, haben den gleichen Zugang zu Bildung und Karriere. Aber die gläserne Decke ist hierzulande immer noch vorhanden.

Auf internationaler Ebene beginnt sich das Bild langsam zu wandeln. Vor allem das politische Parkett wird weiblicher: Seit Dezember 2019 ist Ursula von der Leyen Präsidentin der Europäischen Kommission, und seit März 2021 steht mit Ngozi Okonjo-Iweala (unser Role Model im letzten Newsletter) erstmals eine Frau an der Spitze der World Trade Organisation. Aber das ist erst ein bescheidener Anfang.

Was es braucht, sind weibliche „Role Models“ in Wissenschaft, Kultur, Medien und ganz besonders in der männerdominierten Unternehmensführung.

Aber werfen wir einen Blick nach Deutschland und schauen uns an, wie unsere Nachbarn mit diesem Thema umgehen. Eines kann man gleich vorwegnehmen: Sie sind uns einen Schritt voraus, denn das Bundeskabinett hat bereits vor rund einem Jahr das Zweite Führungspositionengesetz (kurz: FüPoG II) beschlossen und damit die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst gesetzlich verankert. Erstmals wurde eine Mindestbeteiligung von Frauen und Männern in Vorstandsgremien börsennotierter Unternehmen vorgeschrieben (Mindestbeteiligungsgebot). Dieses Mindestbeteiligungsgebot ist seit August 2021 bei der Neubestellung einzelner oder mehrerer Vorstandsmitglieder zu beachten. 

In Österreich hinken wir wie immer etwas hinterher.

Dass gesetzliche Regelungen Früchte tragen, lässt sich an der positiven Dynamik in österreichischen Aufsichtsräten ablesen. Seit 2018 gilt dort eine Geschlechterquote von 30 Prozent, und seitdem hat sich der Frauenanteil in den quotengebundenen börsennotierten Unternehmen um fast zehn Prozentpunkte gesteigert: von 22 Prozent (2018) auf knapp ein Drittel (32 Prozent) im Jänner 2021. Im Vergleich dazu liegt der durchschnittliche Anteil der Aufsichtsrätinnen in den nicht quotenpflichtigen börsennotierten Unternehmen bei lediglich 18 Prozent.

Auffällig ist auch: Die stärkere Frauenpräsenz in den Aufsichtsräten zeigt bislang keine „Spill-over-Effekte“ auf das Management. Woran das liegt? An den Schalthebeln der Macht sitzen nach wie vor Männer. Dies gilt primär für den Aufsichtsratsvorsitz und den Vorsitz in jenen Aufsichtsratsausschüssen, wo die Fäden für die Nachfolgeplanung für Vorstand und Aufsichtsrat gezogen werden.

Damit bleibt das entscheidende Selektionskriterium auch im Jahr 2021 das „Ähnlichkeitsprinzip“. Das heißt: Mann mit Krawatte rekrutiert Mann mit Krawatte.

Quer durch alle Branchen zeigt sich das gleiche Bild: Obwohl es die Aufsichtsratsgremien in der Hand haben, die Diversität zu erhöhen, nützen sie diese Chance nicht. Nach wie vor finden sich im Top-Management überwiegend Männer gleicher Herkunft, Ausbildung und Sozialisation: In den 200 umsatzstärksten Unternehmen Österreichs sind 91 Prozent der Spitzenpositionen in Vorstand bzw. Geschäftsführung in Männerhand, in den börsennotierten Unternehmen sind es sogar 92 Prozent.

Daher braucht es auch hierzulande dringend eine gesetzliche Regelung. So könnte ab drei Personen im Vorstand zumindest eine Frau verpflichtend vorgeschrieben werden. Damit würde sich der Frauenanteil auf rund 22 Prozent verdreifachen und es würden 33 neue Spitzenpositionen für Frauen entstehen. 

In weiterer Folge würde ein höherer Frauenanteil auf allen Managementebenen dazu beitragen, gleichstellungspolitische Wirkungen auf das gesamte Unternehmen zu entfalten. 

Internationale Erfahrungen zeigen, dass ein höherer Frauenanteil in Führungspositionen einen positiven Effekt auf die Verdienstunterschiede zwischen Frauen und Männern im jeweiligen Unternehmen hat – und gleichzeitig die Chancen auf eine Beförderung von Frauen erhöht.

Gender-Gap bleibt hoch: In Österreich ist auch die geschlechtsspezifische Lohnlücke zwischen Frauen und Männern im internationalen Vergleich hoch. Laut Statistik Austria verdienen Frauen rund ein Fünftel je Stunde weniger als Männer.