Role Model: Frances Haugen – die Frau, die sich mit Mark Zuckerberg anlegt

Es gehört eine ordentliche Portion Mut dazu, sich gegen einen der weltweit einflussreichsten Konzernchefs zu stellen. Frances Haugen hat als Whistleblowerin genau das getan und damit eine seit Langem überfällige Diskussion rund um Ethik, Moral und öffentliche Kontrolle von Social Media-Plattformen angestoßen.

Am 5. Oktober 2021 erhob die ehemalige Facebook-Produktmanagerin Frances Haugen vor dem US-Kongress schwerwiegende Anschuldigungen gegen ihren vormaligen Arbeitgeber. Davor hatte sie bereits belastende Dokumente und umfangreiches Datenmaterial an die US-Börsenaufsicht SEC übergeben und an einem Enthüllungsbericht des Wall Street Journals mitgearbeitet.

Haugens zentraler Vorwurf an den Social Media-Riesen: „Facebook formt unsere Wahrnehmung der Welt durch die Auswahl der Informationen, die wir sehen.“ Das funktioniert, indem Facebook seine Inhalte optimiert, um für Nutzer attraktiv zu sein. Und da Informationsinhalte, die Hass erzeugen, polarisieren oder ähnliche Gefühle erzeugen, allgemein eine größere Aufmerksamkeit erfahren, werden diese von den Algorithmen bevorzugt. So werden negativ bewertete Beiträge den Nutzern absichtlich öfters gezeigt. Auf diese Weise soll Facebook die eigenen Gewinne konsequent über die Gesundheit und Sicherheit der Nutzer stellen.

Facebook-CEO Mark Zuckerberg versuchte, die Vorwürfe – wenig erfolgreich – zu entkräften: „Viele der Behauptungen ergeben keinen Sinn. Wenn wir die Forschung ignorieren wollten, warum würden wir dann überhaupt ein branchenweit führendes Forschungsprogramm ins Leben rufen, um diese wichtigen Themen zu verstehen?“ Exakt dies ist aber einer von Haugens Kritikpunkten: Zuckerberg soll die Ergebnisse der Studien gekannt, aber darauf bestanden haben, dass die Algorithmen beibehalten werden.

Aber wer ist diese Frau, die sich mit dem mächtigen Facebook-Chef anlegt?

Die 37-jährige Frances Haugen kommt aus dem beschaulichen Iowa. Ihr Vater ist Arzt und ihre Mutter Priesterin der Episkopalkirche. 2006 schloss sie ihr Informatik- und Elektrotechnik-Studium am Olin College in Needham, Massachusetts, ab. 2011 erwarb sie an der Harvard Business School einen Master of Business Administration.

2018 wurde sie von Facebook eingestellt und arbeitete nach einem Jahr als leitende Produktmanagerin im Team „Civic Misinformation“, dessen Aufgabe es war, den in vielen Ländern verbreiteten Falschinformationen und Hetzaussagen in sozialen Netzwerken entgegenzutreten. Doch anders als viele ihrer Kolleg:innen empfand sie im Laufe der Zeit zunehmend einen Widerspruch zwischen dem moralischen Anspruch und dem täglichen Handeln des Unternehmens. Ihrer Wahrnehmung nach mangelte es massiv an der sozialpolitischen Verantwortung gegenüber den Nutzern und der Gesellschaft. Dies zeigte sich besonders deutlich, als ihre Abteilung nur wenige Monate nach der Präsidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten 2020 aufgelöst wurde. Im Mai 2021 verließ sie das Unternehmen und wurde Whistleblowerin.

Haugen hofft nun, dass ihr Handeln weltweit Wirkung zeigt, um Regulierungen gegenüber Facebook und ähnlichen Plattformen durchzusetzen. Sie glaubt nicht daran, dass eine Selbstbeschränkung funktioniert, stattdessen fordert sie eine unabhängige Aufsichtsbehörde.

Wir meinen, es braucht Frauen wie Frances Haugen, um unsere Welt jeden Tag ein stückweit besser zu machen. Mit ihrem Mut und ihrer Bereitschaft, die eigene Karriere zu opfern, um Missstände aufzuzeigen, dient sie Menschen weltweit als Vorbild.