Würde uns eine CO2-Steuer tatsächlich „grüner“ machen?

Österreich gibt sich gern als EU-Musterschüler in Sachen Klimaschutz. Die Realität sieht aber leider ganz anders aus: Nicht nur haben wir in den drei Jahren vor COVID sämtliche Klimaziele, zu denen wir uns verpflichtet haben, verfehlt, sondern haben es sogar geschafft, unseren CO2-Ausstoß weiter zu erhöhen. Tatsächlich sind wir damit Klassenletzte. Aber würde eine CO2-Steuer daran etwas ändern?

Quellen: UMWELTBUNDESAMT (2021a), KLIMASCHUTZGESETZ; URL: https://www.umweltbundesamt.at/fileadmin/site/publikationen/rep0776.pdf

Österreich sieht sich gerne als Musterschüler in der EU. Vor allem, wenn es um Umweltthemen geht. Aber so wie an den Kapitalmärkten wird „Greenwashing“ auch in der Politik irgendwann entlarvt. Spätestens dann, wenn die nackten Zahlen und Fakten vorliegen. Und die sprechen in Österreich eine eindeutige Sprache. Denn unsere Klimapolitik hat in einem Bereich total versagt: im Verkehr.

Der Straßenverkehr ist und bleibt der größte Umweltsünder. Hier ist die CO2-Belastung im Vergleich am stärksten gestiegen. Und hier werden auch die meisten Abgase produziert – insgesamt 30 Prozent des Gesamt-CO2-Ausstoßes. Nun kann man mit dem unsäglichen Tanktourismus argumentieren, der ja für rund ein Viertel dieses CO2-Ausstoßes verantwortlich zeichnen soll. Aber das ist ja nichts Neues, das musste den Verantwortlichen durchaus bewusst sein, als sie die Klimaziele für 2013-2020 formulierten. Mit etwas sozialpolitischem Verantwortungsgefühl hätte man diese Entwicklung durch preisliche Maßnahmen relativ einfach verhindern können.

Während also unsere Kinder im Rahmen der „Fridays for Future“-Bewegung auf die Straße gehen und für Klimaschutz protestieren, fahren wir fröhlich weiter mit unseren Autos in die Arbeit. Die typisch österreichische Antwort darauf: Sollen doch die anderen zuerst etwas machen – die Industrie etwa. Nun, die ist gar nicht so schlecht am Weg. Und sogar die Landwirtschaft, einer der schlimmsten Klimasünder, bekommt schön langsam ihre Treibhausgase in den Griff, obwohl das ursprünglich angepeilte Einsparungspotential durch den steigenden Viehbestand völlig verfehlt wurde.

Es liegt also ganz klar an uns Konsument:innen – an unserem Verhalten im Individualverkehr, an den miserablen Heizwerten unserer Wohnungen und an der populistischen Zubetonierung wertvollen Ackerlandes für noch mehr Umfahrungsstraßen und noch mehr sterile Shopping Malls vor jedem mittleren Kaff in der Pampa. Großzügig nehmen wir in Kauf, dass dadurch die Geschäfte im Ortszentrum eingehen und kulturelle Infrastruktur vernichtet wird. Unsere Politiker würden das nicht fördern, wenn die Bürger:innen damit nicht einverstanden wären.

Anscheinend denken nur unsere Kinder weiter als bis zum nächsten Diskonter am Eck.

Das Umdenken in Richtung Nachhaltigkeit ist offensichtlich in der Breite der Bevölkerung noch nicht angekommen. Aber könnte eine CO2-Steuer das Problem tatsächlich lösen und die österreichische Bequemlichkeit ausbremsen? Einen Versuch wäre es auf jeden Fall wert.

Für eine CO2-Steuer gibt es unterschiedliche Ansätze und Modelle:

Treibstoffpreiserhöhung

Österreich ist im Gegensatz zu Deutschland geographisch gesegnet: Bereits heute gewinnen wir 60 Prozent unseres Stroms aus Wasserkraft und 11 Prozent aus anderen Erneuerbaren (Quelle: statista). Insgesamt entfallen damit 28 Prozent der Energieerzeugung Österreichs auf Wasserkraft. Als Folge davon sind unsere Stromkosten wesentlich niedriger und die Stromversorgung stabiler als in Deutschland.

Gleichzeitig hat Österreich ein Problem mit dem Energiemix und der Struktur des privaten Energieverbrauchs: Das betrifft primär Heizung und Verkehr. Vor diesem Hintergrund macht es Sinn, eine Verhaltensänderung über eine direkte CO2-Besteuerung zu forcieren. Im Klartext heißt das: Fossile Brennstoffe für Heizung und Verkehr müssen massiv teurer werden – eine realistische Größenordnung sind 40-50 Cent je Liter Benzin.

Fakt ist allerdings auch, dass wir in Österreich nach wie vor strukturarme Gebiete mit vielen Pendlern haben, da die Öffi-Versorgung eine Zumutung ist. Auch hier gibt es ein klares Versagen der Politik. Anstatt in neue Umfahrungsstraßen hätte man lieber in das öffentliche Verkehrsnetz investieren sollen. Sollte eine CO2-Steuer eingeführt werden, müsste dieses Versäumnis vom Steuerzahler teuer bezahlt werden – denn die damit verbundene Mehrbelastung für Pendler wird wohl keine Partei mittragen wollen. Damit wäre eine Pendler-Umlage wohl eine notwendige Begleiterscheinung.

Ausweitung des CO2-Zertifikatehandels

Eine weitere Möglichkeit wäre, den CO2-Zertifikatehandel auf alle Bereiche auszuweiten. Seit bald 20 Jahren wird damit primär die Industrie belastet, was auch tatsächlich zu substanziellen Fortschritten in der Energieeffizienz geführt hat. Im kürzlich publizierten „Fit for 55“-Programm der EU geht man nun auch die Privilegien der Luftfahrtindustrie an – einer der Sektoren, die in der Vergangenheit bei Umweltauflagen immer höchst generös behandelt wurden.

Begünstigungen für Transitverkehr streichen

Unsere unglückselige Verkehrspolitik hat den internationalen LKW-Transitverkehr in den letzten Jahrzehnten geradezu nach Österreich gelockt. Die Belastung unserer Treibhausbilanz zahlen wir im Übrigen mit CO2-Zertifikaten im Rahmen des EU-Emissionshandelssystems. Das war in der Vergangenheit durch die gegenläufigen Einnahmen aus der Mineralölsteuer nicht so übel. Seit 2018 haben sich die Preise für die Zertifikate aber verfünffacht (!!!) – Tendenz stark steigend. Der Grund dafür: Die ausgegebenen Zertifikate werden über die Zeit reduziert und damit zwangsläufig teurer.

Es gibt keinen vernünftigen Grund, warum der Transitverkehr weiterhin strategisch begünstigt werden sollte, statt ihn korrekt zu bepreisen. Gleichzeitig ist es höchst an der Zeit, den überaus attraktiven Güterverkehr auf der Schiene massiv zu pushen. Der Brenner-Basistunnel führt ein Dornröschendasein (geplante Öffnung 2032 – da hat China schon Griechenland mit Samarkand verbunden!), während Bayern und Italien weiter eine Verkehrspolitik aus dem vergangenen Jahrhundert propagieren. Und Österreich ist offenbar völlig unfähig und unwillig seine Interessen zu vertreten. 

Autofreie Zonen

Und dann haben wir noch Wien. Die Stadt verfügt über eine exzellente Öffi-Versorgung und es ist wirklich nicht nachvollziehbar, warum sich Tag für Tag vom Wiener Speckgürtel ins Zentrum und retour eine Blechlawine wälzt. Was wäre eigentlich so furchtbar an autofreien Zonen in Wien, einer Halbierung der Parkplätze zugunsten von mehr Grün- und Spielflächen? Und was wäre so schlimm an einer aggressiven Besteuerung an der Tanksäule für alle, die es nicht lassen können – nein, falsch: die es nicht lassen WOLLEN?

Im Sinne unserer nachfolgenden Generationen plädieren wir dafür, dass wir den Klimaschutz endlich ernst nehmen. Dass die Politik ihre gesellschaftspolitische Verantwortung übernimmt und uns alle aus unserer österreichischen Bequemlichkeit holt – wenn es sein muss, mit einer CO2-Steuer.