Luxus goes Öko – das bringt Kursphantasie

Einst lachten die Franzosen über Deutsche in Birkenstocks. Heute spielt die Marke in einer Liga mit Louis Vuitton, Christian Dior oder Tiffany und gehört so wie diese zum Luxusimperium von Bernard Arnault. Bleibt die Frage: Wer geht als Gewinner aus dem Deal hervor?

Die Partnerschaft mit dem weltgrößten Luxus-Konzern LVMH sei für Birkenstock der nächste logische Schritt, um in Asien Fuß zu fassen, hieß es in der offiziellen Erklärung. In der Tat verfügt der neue Mehrheitseigentümer mit seinem Luxus-Imperium über exzellente Marktzugänge und Kontakte in Asien.

Die Argumentation des deutschen Traditionsunternehmens erscheint daher bei näherer Betrachtung durchaus einleuchtend. Aber wie kommt ein Luxus-Konzern dazu, sich einen Hersteller von Gesundheitsschuhen einzuverleiben?

Die Antwort liegt wohl in einem generellen gesellschaftspolitischen Wertewandel begründet. Denn nach der allgemeinen „Flugscham“ erleben wir nun kollektiv so etwas wie eine „Shopping-Scham“.

Fast Fashion ist verpönt wie selten zuvor. Generell gilt die Modebranche als gigantische Dreckschleuder, nur übertroffen von der Ölindustrie. Sie verursacht laut Vereinten Nationen mehr CO2-Emissionen als Seeschifffahrt und Luftfahrt zusammen. Die Ökobilanz eines weißen T-Shirts aus Baumwolle ist ähnlich verheerend wie der Anbau von Avocados oder die Herstellung eines Smartphones. Für die Produktion einer einzigen Jeans sind Tausende Liter Wasser nötig. Kurz: Die Modeindustrie ist nach Ansicht der Vereinten Nationen ein ökologischer und sozialer Notfall.

Aus Sicht von Bernard Arnault besteht für seinen Luxus-Konzern, zu dem 75 Luxusmarken – darunter Louis Vuitton, Dior, Givenchy und Celine, sowie DFS, Bulgari, Sephora und der kürzlich erworbene Juwelier Tiffany & Co – gehören, dringender Handlungsbedarf. Schließlich wurde 2019 sein größter Konkurrent Kering als umweltfreundlichstes Luxusunternehmen ausgezeichnet. Dieser war bis 2018 Partner von Stella McCartney – und hat seine Hausaufgaben offenbar schneller erledigt.

Stella McCartney gilt schon lange als Galionsfigur für Nachhaltigkeit. Die Veganerin und Umweltaktivistin nutzt keine tierischen Produkte wie Leder und setzt sich seit fast 20 Jahren für eine umweltfreundliche Produktion ein. Also holte Bernard Arnault sie im Juli 2020 in den LVMH-Konzern und machte sie zur obersten Nachhaltigkeitsbeauftragten.

Grüne Marken sind hip und modern

Und so gesehen erscheint der Einstieg bei Birkenstock nicht nur eine günstige Gelegenheit, um etwas „grüner“ zu werden, sondern als erstes sichtbares Zeichen einer Neupositionierung. Auch Birkenstock hat in den letzten zwanzig Jahren einen radikalen Imagewandel erlebt. Seit Supermodels wie Kate Moss und Heidi Klum Anfang der 2000er-Jahre in ihren Birkenstocks über die Laufstege stolzierten, gilt die Marke nicht nur als nachhaltig sondern auch als hip und modern.

LVMH meint es also ernst mit seinem grünen Ansatz. Vor wenigen Wochen wurde erstmals ein konsolidierter Konzernbericht über das soziale und ökologische Engagement veröffentlicht. Zudem berechnet eine unabhängige Prüfstelle den CO2-Fußabdruck des Konzerns sowie die messbaren Beiträge zur Reduzierung von gefährlichem Abfall, Verpackungen, Transport, Treibhausgasemissionen, Wasser- und Energieverbrauch. Vor wenigen Tagen gab LVMH Perfumes & Cosmetics die Zusammenarbeit mit dem Materialspezialisten Eastman bekannt, um Verpackungen zu entwickeln, die durch neue molekulare Recyclingtechnologien ermöglicht werden.

An der Börse wird die LVMH-Aktie dafür gefeiert – innerhalb eines Jahres stieg das Papier um rund 80 Prozent. Bernard Arnault schaffte es damit sogar an die Spitze der Superreichen – noch vor Amazon-Gründer Jeff Bezos.

Grüne Mode senkt die Kreditzinsen

Aber nicht nur an der Börse, auch für Kreditnehmer zahlt sich „Grüne Mode“ aus, wie das Modelabel Prada zeigt: Ende vergangenen Jahres haben die Mailänder Prada-Eigentümer und die französische Geschäftsbank Crédit Agricole erstmals einen Kreditvertrag abgeschlossen, dessen Zinssatz sich an der Erreichung nachhaltiger Ziele orientiert. Der jährliche Zinssatz sinkt, wenn nachhaltige Ziele erreicht werden. Dabei legten die Banker drei Kriterien fest: die Arbeits- und Ausbildungsstunden der Angestellten, dazu die Klassifizierung einer gewissen Anzahl der Läden als umweltfreundliche Bauten. Und die Luxusfirma muss statt Nylon Econyl verwenden, ein Material aus recyceltem Plastik, Fischernetzen und Textilien. Es ist unendlich oft wiederverwertbar und spart bei der Herstellung massiv CO2. Im nächsten Jahr sollen alle Nylonprodukte der Marke, auch die begehrten Taschen, daraus hergestellt werden.

Prada ist das erste Unternehmen der Luxusindustrie, das einen derartigen Deal abgeschlossen hat. Die Zahl der Kredite, die an nachhaltige Ziele gekoppelt sind, wächst beachtlich. Die niederländische Großbank ING etwa will ihr gesamtes globales Finanzierungsportfolio von 500 Milliarden Euro mit den Pariser Klimazielen in Einklang bringen. Die Geldgeber machen also Druck.

Win-Win-Situation oder Greenwashing?

Es ist also durchaus nachvollziehbar, warum sich internationale Moderiesen immer öfter mit „grünen“ Töchtern schmücken. Und wenn Designerin und Umweltschützerin Stella McCartney beim jüngsten G7-Gipfel, den Wandel in der Modeindustrie forderte, dann setzt sei damit ein deutlich hörbares Signal.

Laut einer Umfrage der in Deutschland ansässigen Plattform rebelle.com ist Nachhaltigkeit auch eines der wichtigsten Argumente, das aus Sicht der User für Secondhand-Stücke spricht. Eine Handtasche aus Vorbesitz verursacht zum Beispiel um 90% weniger CO2-Emissionen als eine nagelneue. Gut 60% der 2.500 Umfrageteilnehmer gaben zudem an, künftig mehr gebrauchte Kleidung und Accessoires und dafür weniger Fast Fashion-Teile kaufen zu wollen.

Mittlerweile haben auch die Hersteller edler Secondhand-Ware, die rund um den Globus ge- und verkauft wird, diese Vertriebsschiene für sich entdeckt. 2018 begannen Burberry und Stella McCartney eine Zusammenarbeit mit dem US-amerikanischen Online-Portal The RealReal, das zusätzlich auch stationäre Läden betreibt. Ende 2020 wurde bekannt, dass auch der LVMH-Konzern nach Möglichkeiten für den Einstieg ins gehobene Gebrauchtwarengeschäft Ausschau hält.

Luxusaktie statt Luxustasche

Der enorme Hype um die internationalen Luxusmarken führt unweigerlich zur Frage, ob Luxusaktien nicht auch als Investment interessant sind. Trotz enormer Kursanstiege in den letzten Monaten versprechen die Papiere nach wie vor Potenzial. Eine Birkin Bag ist zwar eine verdammt hübsche Geldanlage, aber wir glauben, eine Hèrmes-Aktie macht langfristig sicher genauso viel Spaß.

Ein weiterer interessanter Titel ist der Schweizer Luxusgüterkonzern Richemont mit Tochterfirmen wie Dunhill, Cartier und Jaeger-LeCoultre. Der Kurs der Aktie konnte innerhalb eines Jahres ebenfalls um rund 80 Prozent zulegen. 

Wo sich Jeff Bezos Rat holt

Der Pionier in Sachen Nachhaltigkeit in der Luxusbranche sitzt freilich in Italien. Schon vor mehr als 40 Jahren baute Brunello Cucinelli ein vorbildliches Unternehmen auf. Mit 550 US-Dollar Startkapital färbte er Kaschmirpullover kunterbunt. Die Kundschaft riss sie ihm aus den Händen. Längst sind die Strickwaren aus dem Dörfchen Solomeo in Umbrien dezenter gefärbt, und die Kollektion umfasst auch Anzüge oder Jeans, die Nachfrage aber ist hoch wie eh und je. Und Cucinelli ist einer der reichsten Männer Italiens. Wurde er früher für den von ihm propagierten humanitären Kapitalismus belächelt und für einen Sonderling gehalten, so gilt er jetzt als Vorreiter. Kaderschmieden wie die Harvard-Universität oder das MIT schicken Studenten zu ihm. Amazon-Gründer Jeff Bezos schätzt seinen Rat ebenso wie Italiens Premier Giuseppe Conte und dessen Vorgänger Matteo Renzi.

Cucinelli zahlt seinen Leuten 20 Prozent mehr als die Konkurrenz. Handarbeit muss honoriert werden, argumentiert der Sohn eines Bauern. Die Mittagspause in der weithin gerühmten Kantine ist verpflichtend, E-Mails unter den Mitarbeitern in der Freizeit unerwünscht. Geschadet hat das alles nicht. Der Umsatz hat sich seit dem Börsengang 2012 in etwa verdoppelt.

Tipp: Wer sich für nachhaltige Luxus-Aktien interessiert, sollte sich diese Papiere einmal genauer ansehen:

LVMH – Der Mächtige

Der weltgrößte Luxuskonzern hat viele Marken in mehreren Branchen. Die Ausrichtung auf nachhaltige Produkte ist glaubhaft. Zudem erhalten die Aktionäre eine kleine Dividende. 

Brunello Cucinelli – Der Altmeister

Der Italiener beweist, wie Geschäftserfolg und gutes Gewissen vereinbar sind. Umsätze und Gewinne des Luxusunternehmens wachsen überschaubar, aber stetig. Das Argument Nachhaltigkeit in der Luxusbranche spricht für den Wert. 

Moncler – Der Aufsteiger

Die Mailänder haben vom Hersteller von Ski- und Kletterbekleidung zur Nobelmarke einen fulminanten Aufstieg geschafft. Die Daunenjacken gelten als Statussymbol, die Marke zählt zu den angesagtesten und wichtigsten der Branche. Das spiegelt auch der Kurs wider, der binnen drei Jahren um rund 125 Prozent zulegte. Dazu kommt Übernahmefantasie – Kering soll interessiert sein.

Autorin: Elisabeth Wolfbauer-Schinnerl