Vom Lockdown und den falschen Hoffnungen

Der erste Lockdown im März hat die meisten von uns unverhofft und ziemlich unbedarft getroffen. Über das Wochenende wurden die Arbeitsplätze zigtausender Erwachsener ins Home-Office und der Unterricht von rund 1,2 Millionen Schülerinnen und Schülern ins Home-Schooling verlagert. Alles war neu und furchtbar aufregend. Hoffnungen, dass die Krise als Beschleuniger für das Ausgleichen der Geschlechterunterschiede wirkt, machten sich breit. Väter im Home-Office könnten sehen, wie viel Zeit ihre Frauen für Kinderbetreuung und Hausarbeit aufwenden. Daher würden sie in Zukunft etwas mehr unbezahlte Arbeit übernehmen, so die naive Vorstellung. Zudem war man der Annahme, dass Home-Office besonders Frauen entlasten würde, da diese Art des Arbeitens die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erleichtere. Ein Wunschdenken.

So schön – so falsch! Das Gegenteil trat ein

Die Realität hat uns sehr rasch eingeholt und wir mussten erkennen, dass die Betreuung – vor allem die schulische – eines oder mehrerer Kinder neben der eigenen Arbeit im Home-Office nicht möglich ist. Da helfen nicht einmal die besten weiblichen oder männlichen Multitasking-Fähigkeiten. Denn Kinder brauchen Zuwendung und Aufmerksamkeit und das geht sich neben der Konzentration für die eigene Tätigkeit schlicht und ergreifend nicht aus. Was ist also passiert? Familien waren enorm gefordert, zum Teil überfordert und die Ungleichheit zwischen Männern und Frauen verschärfte sich trotz anderslautender „Prognosen“.

Aber was bedeutet das für uns Frauen? Leider nichts Gutes. Denn die Corona-Krise hat die bestehende ungleiche Arbeitsteilung von Frauen und Männern nur noch weiter verstärkt. Sprich: Die zusätzlich anfallende unbezahlte Arbeit in Form von Kinderbetreuung und Home-Schooling wurde überwiegend von Frauen gestemmt.

Wie wird das wohl im aktuellen Lockdown sein? Diese Frage ist eher rhetorisch.

Frauen leisten täglich 2,5 Stunden mehr an unbezahlter Arbeit

Eine Studie der Arbeiterkammer Wien zeigt: Während des ersten Lockdowns arbeiteten Frauen und Männer zwischen 11 und 15 Stunden pro Tag – bezahlte und unbezahlte Arbeit zusammengezählt. Alleinerzieherinnen kamen mit knapp 15 Stunden am Tag auf die höchste Stundenanzahl – 9 Stunden davon unbezahlte Kinderbetreuung und Hausarbeit. In Paarhaushalten mit Kindern arbeiteten die Mütter mit 14 ¼ Stunden, davon 9 ½ unbezahlt, die Väter knappe 13 ¾ Stunden, davon knapp 7 unbezahlt. Frauen arbeiteten somit pro Tag 2,5 Stunden mehr unbezahlt. Diese langen Arbeitszeiten sind eine enorme Belastung, besonders auch, weil die Trennung zwischen Erwerbsarbeit und Haus- und Erziehungsarbeit nicht mehr möglich ist.

Grafik © Tea Mina Jaramaz
© Tea Mina Jaramaz 

COVID-Arbeitsmarktkrise trifft zu 85 Prozent Frauen

Abgesehen von den Mehrfachbelastungen, die vor allem Frauen betreffen, ist die Arbeitslosigkeit in Österreich infolge der Corona-Krise deutlich gestiegen, betroffen sind auch hier überwiegend Frauen. Grund dafür ist, dass Branchen mit einem hohen Anteil an weiblichen Arbeitnehmerinnen am stärksten von der Arbeitslosigkeit betroffen sind, etwa der Handel, Beherbergung und Gastronomie, Erziehung und Unterricht sowie Gesundheit und Soziales.

Ende Februar 2020 waren in Österreich 399.359 Personen arbeitslos, Ende Juni waren es 463.505 Personen, die Zahl der Arbeitslosen ist also um 64.146 gestiegen. Von diesen – statistisch gesehen – „Corona-Arbeitslosen“ sind 54.702 Frauen und 9.444 Männer, geht aus den Zahlen des Arbeitsmarktservice hervor. Der Anstieg der Arbeitslosigkeit betrifft also zu 85 Prozent Frauen.

Wir sind als Gesellschaft gefordert

Eine partnerschaftliche Aufteilung von bezahlter und unbezahlter Familienarbeit sowie der Ausbau einer flächendeckenden und leistbaren Kinderbetreuung sind gerade in Zeiten von Home-Office von größter Bedeutung. Nur so kann unsere Gesellschaft die grundlegende Voraussetzung für eine Erwerbsbeteiligung von Frauen gewährleisten. Dazu müssten wir uns aber von unserer klassischen Rollenverteilung verabschieden und in neuen Dimensionen denken. Am besten wir fangen gleich heute damit an.