Finanzlexikon: Arbeitslosigkeit

Unter Arbeitslosigkeit versteht man in der Volkswirtschaftslehre das Fehlen von erwerbsorientierten Beschäftigungsmöglichkeiten eines Teils der arbeitsfähigen und beim bestehenden Lohnniveau arbeitsbereiten Personen. Personen, die in Ausbildung oder Umschulung sind, werden nicht als arbeitslos geführt. Genauso fällt Kurzarbeit nicht unter Arbeitslosigkeit.

Exzessive Maßnahmen in der Arbeitsmarktförderung führen allerdings zu verschleierter Arbeitslosigkeit, und werden oft eingesetzt um strukturelle Probleme am Arbeitsmarkt (wie Jugendarbeitslosigkeit, Altersarbeitslosigkeit, Langzeitarbeitslosigkeit) zu kaschieren.

Wesentliches Ziel der Wirtschaftspolitik ist Vollbeschäftigung, d.h. es gibt mehr offene Stellen als Arbeitssuchende. Aber selbst in so einer Situation brauchen Arbeitsuchende etwas Zeit eine passende neue Stelle zu finden, wenn sie ihren Job wechseln. Deshalb wird Vollbeschäftigung nicht mit einer Arbeitslosenquote von Null gleichgesetzt, sondern gilt schon bei 3 bis 4 Prozent als erreicht.

In solch einer Situation interessieren sich oft Teile der Bevölkerung dafür, (wieder) in den Arbeitsmarkt einzutreten, da sich ihre Chancen verbessert haben. In diesem Falle erhöht sich die Partizipation der der Bevölkerung am Arbeitsmarkt.  Umgekehrt fällt die Partizipation, wenn Entmutigte aus dem Pool der registrierten Arbeitskräfte („Labour Force“) ausscheiden. Das ist eines der größten Risken von Langzeitarbeitslosigkeit, vor allem bei Sozialsystemen, die ihre Leistungen nach einer gewissen Zeit stark zurückfahren (z.B. USA). Weiters wird der Pool der Arbeitskräfte oft durch das sozio-kulturelle Umfeld beeinflusst. So ist in islamisch geprägten Gesellschaften der Pool der Arbeitskräfte kleiner, weil Frauen nicht in den Arbeitsmarkt eintreten. Vergrößert wird er wiederum in Schwellenländern ohne soziale Absicherung, wo bereits Jugendliche als Teil des Arbeitsmarkts mitgeführt werden, und alte Menschen nicht ausscheiden können, weil es keine Altersvorsorge gibt. Die OECD verwendet die Beschäftigungsrate („employment rate“) dabei als wichtigen Indikator für die Gesundheit des Arbeitsmarktes und als breiteren Indikator für die Robustheit eines Wirtschaftsstandortes unter den Industriestaaten. Er rechnet sich als Prozentsatz der Beschäftigten im Verhältnis zur gesamten erwerbsfähigen Bevölkerung.

Quelle: OECD

Besonders kritisch ist die Situation, wenn ein hoher Anteil der jungen Bevölkerung nicht am Arbeitsmarkt teilnimmt. In Österreich konzentrieren wir uns dabei auf die Jugendarbeitslosigkeit, also den Anteil der Jugendlichen, die gerne arbeiten würden, aber keinen Job/Ausbildungsstelle finden können.

International geht man weiter: NEET ist ein Akronym des Begriffs Not in Education, Employment or Training, nicht in Ausbildung, Arbeit oder Schulung, und bezeichnet die Gruppe Jugendlicher und junger Erwachsener, die keine Schule besuchen, keiner Arbeit nachgehen und sich nicht in beruflicher Ausbildung befinden. Dabei werden sowohl Arbeitswillige als auch Dropouts erfasst. Wiederum gilt, dass der Anteil der NEETs in islamisch geprägten Kulturen wesentlich höher ist, weil die Mädchen eben keiner Arbeit nachgehen dürfen, oder nur die prekärsten Jobs ausfüllen dürfen (z.B. Türkei: knapp 30% lt. OECD).

Quelle: EUROPEAN COURT OF AUDITORS, Youth unemployment – have EU policies made a difference? An assessment of the Youth Guarantee and the Youth Employment Initiative, Luxembourg 2017

Das bringt uns zum Thema Wettbewerbsfähigkeit: wichtig für die Wertschöpfung einer Volkswirtschaft ist nicht nur die Größe des Arbeitsmarkts mit seiner Beschäftigungsquote, sondern die Produktivität der Arbeitskräfte, also die Produktivität per Capita. Je höher die Produktivität, desto niedriger die Kosten in Relation zur Wertschöpfung (gemessen als Unit Labour Cost). Diese Relation ist einschneidend für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft. Und sie ist entscheidend für unsere Löhne: Je höher unsere Produktivität, desto höher die Löhne, die wir verlangen können.

Die Produktivität ist stark vom Ausbildungsniveau einer Gesellschaft abhängig, bzw. davon ob die Qualifikationen der Bevölkerung zu den nachgefragten der Wirtschaft passen. Gerade in Europa haben wir da ziemliche Probleme: zum einen sind Ausbildungen viel zu wenig an der Nachfrage der Privatwirtschaft orientiert, d.h. wir haben viele Akademiker, die aber keine brauchbaren Qualifikationen mitbringen (Schlagwort Fachkräftemangel). Zum anderen setzen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer durch veraltete Arbeitsmarktregulierung gegenseitig schachmatt (Italien, Frankreich): denn ein hohes Maß an Absicherung derjenigen, die in einem fixen Arbeitsverhältnis sind (z.B. Kündigungsschutz, Mindestlöhne) erschwert vor allem jungen Leuten den Eintritt in den regulierten Arbeitsmarkt (da sich die Unternehmer nicht noch mehr binden wollen), und drängt diese in Kurzzeitjobs, Leiharbeit etc. Gerade die jungen Leute sind aber womöglich besser ausgebildet, und könnten besser mit dem Strukturwandel in der Wirtschaft Schritt halten – so verharren auch die Unternehmen in veralteten Produktionsweisen oder lehnen es schlichtweg ab, zu expandieren, weil sich Personalkosten sprunghaft erhöhen, wenn man wächst (Italien).

Aktuelle Arbeitslosigkeit

Trotz der Coronakrise sind die Zahlen in der EU noch nicht so dramatisch gestiegen wie im Rest der Welt, weil die EU massiv auf das Instrument der Kurzarbeit setzt.

Gegenwärtig (Quelle: Eurostat, Stand Sep 2020) ergibt sich folgendes Bild:

 ArbeitslosigkeitJugendarbeitslosigkeit
Deutschland4.5%6.0%
Österreich5.5%9.4%
EU (Durchschnitt)7.5%17.1%
Italien9.6%29.7%

Wir sehen, dass Italien offensichtlich vor dramatischen Strukturellen Problemen steht, die sich mit der Coronakrise noch verschärfen werden, denn die Wettbewerbsfähigkeit Italiens war schon vor der Krise schwach. Leider ist davon auszugehen, dass nächstes Jahr die Arbeitslosigkeit in ganz Europa stark steigen wird, wenn die staatliche Unterstützung graduell zurückgefahren wird. Je häufiger und je länger wir Lockdowns durchführen müssen, desto mehr wird die Wirtschaft in ihrer Substanz geschwächt, und das wird sich direkt auf den Arbeitsmarkt auswirken.

Wie wahrscheinlich ist es, dass man arbeitslos wird?

Die Zeiten, in denen man nach der Schule/dem Studium in ein Unternehmen eingestiegen und dort vierzig Jahre später wieder in Rente gegangen sind, neigen sich ihrem Ende zu. Diesen Luxus gibt es nur mehr im Staatsdienst.

Unternehmen stehen unter internationalem Konkurrenzdruck, das bedeutet Konzentration und Konsolidierung, Umstrukturierung, Rationalisierung. Die Wahrscheinlichkeit während des Berufslebens 1-2 mal seinen Job zu verlieren ist hoch.

Wer ist für Arbeitslosigkeit am verwundbarsten:

  1. Je schlechter die Ausbildung desto größer das Risiko und desto höher die Wahrscheinlichkeit in Langzeitarbeitslosigkeit zu stecken
  2. Frauen, da sie meist die Last der Familiengründung tragen und damit ihre berufliche Laufbahn oft über Jahre hinweg unterbrechen („disruptive Lebensläufe“): einmal aus dem Berufsleben, ist es schwer wieder Fuß zu fassen und zumeist mit massiven Einkommenseinbußen verbunden
  3. Migrationshintergrund: vor allem gekoppelt an mangelhafte Sprachkenntnisse mit schlechter Ausbildung
  4. Die Jungen und die Alten: bei den Jungen gilt First in – First out; Bei den Alten gilt: der Staat hilft ja sozial die Probleme abzufedern, und ältere Arbeitskräfte sind teurer als junge.

Was ist am gefährlichsten:

Langzeitarbeitslosigkeit. Das wird gemeinhin mit 12 Monaten definiert. Von da an wird es zunehmend schwerer, wieder einen Job zu bekommen. Deshalb ist zu empfehlen, lieber nicht auf den Traumjob zu warten, sondern eher einen akzeptablen Job anzunehmen, bevor man in der Falle der Langzeitarbeitslosigkeit landet. Statistisch gesehen dauert es immerhin im Schnitt zwischen 4-6 Monaten um einen neuen Job zu finden.