Vorhang auf für Jederfrau: Helga Rabl-Stadler, Präsidentin der Salzburger Festspiele

Helga Rabl-Stadler ist seit 1995, und damit seit 25 Jahren, Präsidentin der Salzburger Festspiele. Krisenerprobt und nervenstark, aber so hat sie sich ihr letztes Jahr in der Funktion dennoch nicht vorgestellt. Die Salzburger Festspiele gibt es seit 100 Jahren, und das hätte heuer entsprechend gefeiert werden sollen. Bei Gründung waren sie ein starkes Lebenszeichen der Kultur nach den Schrecken und Entbehrungen des ersten Weltkrieges. 

Corona übernimmt die Regie bei den Festspielen

Im März informierte Rabl-Stadler die Öffentlichkeit, dass aufgrund von Corona die Festspiele in der Form nicht stattfinden werden und die verkauften Karten rückabgewickelt werden. Das Jubiläumsprogramm war entsprechend attraktiv und bis März 2020 wurden 180.000 Karten verkauft. Rabl-Stadler rechnete mit Karteneinnahmen von EUR 30 Millionen.

Der finanzielle Schaden ist also enorm, nicht nur für die Kultur, sondern für die gesamte Wirtschaft in Salzburg. Als ehemalige Präsidentin der Salzburger Wirtschaftskammer und langjährige Unternehmerin mit familieneigenem Modegeschäft weiß sie das besonders gut. 

Alle anderen Festivals haben bereits das Handtuch geworfen, Rabl-Stadler hat jedoch „gekämpft wie eine Löwin“, stellte ORF-Moderatorin Clarissa Stadler fest, als im Mai 2020 verkündet wurde, dass die Festspiele – wenn auch in adaptierter Form – stattfinden werden. Anstatt der geplanten 200 Vorstellungen an 44 Tagen und 16 Spielstätten, gibt es 110 Vorstellungen an 30 Tagen und 8 Spielstätten. Außerdem wurde der Jubiläumssommer zu einem Jubiläumsjahr und dauert bis August 2021 – und der Vertrag der Festspielpräsident bis dahin verlängert. Der Mund-Nasen-Schutz im Festspieldesign wird wohl zum begehrten Sammlerobjekt werden. 

Jetzt bezeichnen sie viele – auch internationale – Medien als Eisbrecherin für die Kulturbranche. Soviel öffentliche Zustimmung zu ihrer Person ist Rabl-Stadler in der Regel nicht gewöhnt, immerhin hat sie als kritische Journalistin ihre Berufskarriere bei der Tageszeitung Kurier begonnen, und mehr als einmal polarisiert.  

Das muss auch nicht so bleiben. Sollte es einen Corona-Fall geben, wird sich die gesamte Häme derer, die sich nicht über das Wagnis eigener Festspiele getraut haben, über „die Präsidentin“ und ihr Team ergießen. Außerdem können gerade einmal 1/3 der ursprünglichen Kartenkontingente verkauft werden und das bei höheren Kosten – auch für eine potenzielle finanzielle Schieflage wird sie  wohl „den Kopf hinhalten“ müssen. 

Uppercuts, auch in der Kunst

Aber uppercuts im Kulturbetrieb ist die 72jährige mittlerweile gewöhnt. Intendant Gerard Mortier hat sie in einem Interview einmal als „schrecklich nett, aber auch schrecklich dumm“ bezeichnet. Diese mediale Demütigung hat sie – laut eigener Aussagen – sehr getroffen. Erst der lapidare Kommentar ihres Vaters Gerd Bacher, nämlich „dass niemand glaubt, dass sie dumm wäre, aber das sie schrecklich nett wäre, war bis dato nicht bewiesen“, bringt sie zum Lachen und gibt ihr Energie und Mut, den Fehdehandschuh aufzunehmen. Offensichtlich ist das eines der Erfolgsrezepte der Salzburgerin: starker Rückhalt aus der Familie, Nerven aus Stahl und ein gesundes Maß an Selbstvertrauen. 

Belohnt wird sie in ihrer Funktion dafür, dass sie viele interessante Persönlichkeiten, nicht nur aus Kunst- und Kultur in all den Jahren kennenlernen konnte. Rabl-Stadler hätte auch spannende Geschichten zu berichten und ihre Memoiren wären sicher eine interessante Lektüre über geniale Künstler, Befindlichkeiten und generell den Jahrmarkt der Eitelkeiten, den Salzburg jeden Sommer beherbergt. Sicher auch eine reizvolle Idee für die promovierte Juristin und ehemalige Journalistin. 

Die Präsidentin: erste Frau in vielen Funktionen

Familie ist offensichtlich eine prägende Facette ihres Lebens. Als Älteste großgeworden mit zwei Stiefbrüdern, erfährt sie an ihrem 21. Geburtstag, dass der erste Ehemann ihrer Mutter, Gerd Bacher, ihr leiblicher Vater ist und nicht wie all die Jahre angenommen Wilfried Stadler, der „Stadler-Vater“, wie sie ihn nennt. 

Prägend war für Rabl-Stadler nicht nur die Geburt ihrer beiden Söhne, sondern auch das Jonglieren zwischen Familie, Geschäft in Salzburg und ab 1983 der politischen Funktion als Mitglied des Nationalrats in Wien. Diese Funktion hat sie übrigens mit den Worten „Freude. Ehre. Auszeichnung“ angenommen. Auch wenn sie nie als Vorkämpferin für Frauenrechte in Erscheinung getreten ist, verkörpert ihre Karriere genau das: als erste Frau in der Funktion der Wirtschaftskammerpräsidentin und ebenfalls erste Frau als Präsidentin der Salzburger Festspiele. 

Wer weiß, vielleicht warten ja noch andere Funktionen darauf, erstmals von einer Frau übernommen zu werden. Aber jetzt muss sie sich zunächst um das Jubiläumsjahr kümmern, dann wird man weitersehen.  

Autorin: Heidrun Kopp

Quellen: diverse Interviews auf Social Media, sowie „Menschenkinder“ von Andre Heller.